Sonntag, 7. August 2011

Samstag, 06. August 2011, von Weymouth rund Portand Bill über die Lyme Bucht nach Dartmouth, ca. 60 Seemeilen, 11,5 h

Der Wetterbericht sagt für heute „SW 3 – 4 occ. 5 at first, veering W 4 – 5, seastate smooth or slight, showers laater, visibility good“ voraus.
Pünktlich um 0520 Uhr gehen wir ankerauf, nachdem wir schnell eine Tasse Kaffee und ein Erdnußbutterbrot zu uns genommen haben. Langsam tuckern wir unter Groß und Motor quasi ohne Wind die Küste gen Süden hinunter. Vorbei an Portland Harbour, einem riesigen Binnenhafen, in dem u. a. die olympischen Wassersportdisziplinen 2012 ausgetragen werden..

Langsam fahren wir, weil wir mit dem nach Westen kippenden Strom das berühmt-berüchtigte Portland Race, dass sich südlich des Kaps von Portland Bill erstreckt und schon so manches Boot das Fürchten lehrte, südlich umgehen wollen. In zehn von zwölf Stunden einer Tide tobt sich das Race mal nach Westen, mal nach Osten aus. Das Race entsteht dadurch, dass sich beidseits des Kaps zwei mächtige Gezeitenströme gen Süden wälzen, die wiederum auf den „normalen“ Tidenstrom des Kanals treffen, der als Ebbstrom westwärts und als Flutstrom ostwärts setzt. Dabei enstehen mächtige Verwirbelungen gegen die Skylla und Charibdis wie ein Kindergarten anmuten. Besonders stark sind die sogenannten outfalls und eddies bei Spring- oder Nipptide. Es gibt eine relativ sichere Passage 1 – 3 Kabellängen unterhalb des Kaps, die an zwei Stunden pro Tide relativ sicher zu befahren ist.
Wir lassen die Finger davon, weil wir letztes Jahr schon mal in den Genuß der sicheren inshore passage kamen, nachdem wir auf einheimische Segler gehört hatten...
Wir umgehen das Kap weit südlich, was zwar einen Umweg von ca. 10 Seemeilen bedeuted, aber dafür wesentlich sicherer ist.
Die französische Ketsch, die auch gestern schon die ganze Zeit parallel zu uns gesegelt ist, überholt uns und fährt munter rund ums Kap. Schon mit dem bloßen Auge sind die Brandungswellen zu erkennen. Denn sie wissen nicht, was sie tun...! Ihr Bug tanzt auf und ab und versinkt ein ums andere Mal in den Strudeln. Gott sei Dank handelt es sich um ein großes Schiff und nach einer Weile kämpfen sie sich wieder nach links heraus und halten nun auch respektvollen Abstand.
Der westgehende Strom setzt genau wie berechnet um 0735 ein, als wir das Race südlich umgangen haben. Nun haben wir den Wind voll auf der Nase und uns bleibt nichts anderes übrig, als den Motor mitlaufen zu lassen, wenn wir Dartmouth im Hellen erreichen wollen. Das Wetter ist wesentlich besser als angekündigt: es regnet den ganzen Tag keinen Tropfen, nach einigen Stunden kommt sogar die Sonne raus! Der Wind weht eher zu wenig als zuviel, was uns aber ganz recht ist, da wir sowieso gegenan motoren müssen. Wir befinden uns mitten auf der Lyme Bay, das nächste Land 20 Seemeilen entfernt, als sich plötzlich ein kleines, gelb-grünes Vögelchen bei uns im Cockpit niederlässt. Es macht einen erschöpften Eindruck, ängstigt sich aber vor uns, so dass es hoch ins Segel fliegt und unter dem ersten Reff Schutzsucht. Das Frühstücksangebot von englischem Sponge bread schlägt es allerdings aus, was ich gut verstehen kann . Nach einer Weile hüpft es wieder herunter zu uns, um dann weiter zu fliegen. Das war genauso schön wie unsere beiden Delphinsichtungen, die wir dieses Jahr schon hatten. Die erste vor Dunkerque, als wir umdrehen mussten und die zweite direkt vor dem Ankerplatz in der Studland Bay.
Außerdem sichten wir Toddellummen, die sich auf der Dünung treiben lassen. Hier kommt schon ein richtiges Atlantikfeeling auf, so fern der Küste und so nah dem großen Ozean. Wir stellen uns vor, wie es ist, die Biskaya vier bis fünf Tage unter solchen Bedingungen zu überqueren und kommen zu dem Schluß, dass das nicht das Schlechteste ist. So, ja – so, wie vorgestern, nein danke.
Wir üben uns im Radarpeilung mit dem Overlay im Plotter, was uns immer besser gelingt: fast jedes angezeigte Ding können wir identifizieren. Das ist schon ein großes Sicherheitsmoment.
Meine „Freiwache“ verbringe ich auf unseren Kapokkissen liegend auf dem Cockpitboden, eingekeilt zwischen Tisch und Bank. Selten so gemütlich geschlafen!
Mittlerweile haben wir ein ganz grandioses Wetter, der Himmel zeigt alles von blau bis schwarz, weiße Wolken am Horizont und vor uns strahlender Sonnenschein. Es ist einfach nur schön! Auch der Wind hat endlich etwas zugenommen, so dass wir nun auch segeln können. Immer mehr Boote tauchen auf, je weiter wir uns dem Land nähern.
Der Wetterbericht gibt mittlerweile eine strong wind warning heraus. Der Wind frischt auch tüchtig auf, als wir uns kurz vor der herrlichen Steilküste und der Mündung des River Dart eine Regatta mit zwei Engländern liefern. Es gilt um die westlicher-umgehen-Gefahrentonnen herum zu kommen, ohne allzu oft aufkreuzen zu müssen. Schlussendlich haben wir zwar nicht gesiegt, aber es hat großen Spaß gemacht. Wir trösten uns damit, gegen Revierkenner verloren zu haben
Die Einfahrt in den River Dart ist äußerst beeindruckend: links und rechts der von hohen Felsen gesäumten Mündung thronen zwei Festungen: hier wurde früher eine Kette gespannt, um unliebsame Besucher an der Passage zu hindern. Heute gibt es, Gott sei Dank, noch nicht einmal eine Barre, so dass man 24 h-Zugang nach Dartmouth hat. Wir sind begeistert. Die Landschaft beeindruckend, gekrönt von wunderbaren Häusern, wo man sofort auch wohnen möchte. In der Windabdeckung bergen wir die Segel und sind gespannt, was uns dieser Ort zu bieten hat (und auch, ob und wo wir hier übernachten können. - Der „Reeds“ hält so viele Möglichkeiten für Dartmouth bereit, von normalen Hafenmarinas, über den Townquay, Jetties, Pontoons ohne Landzugang, Mooringtonnen, bis hin zum Flußankern. Unzählig viele Boote sind hier auf ebenso viele unendlich verschiedene Arten festgemacht, andere ziehen noch suchend ihre Kreise.
Nachdem wir eine Weile hin und her gecruist sind und schon dachten, dass es wieder auf´s Ankern hinausliefe, kommt die Harbour Patrol, Peter, wie wir später erfahren, mit dem Schlauchboot angedüst und verweist uns auf den letzten freien Platz am Town Quay, der mit 20,- Pfund sogar erstaunlich preiswert ist. Wir liegen in der ersten Reihe, es ist schöner als jedes Kino!
Um 1700 Uhr, nach ca. 60 Seemeilen und 11,5 h Fahrt machen wir dort schließlich fest.

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